Im Zuge der revolutionären Ereignisse des Jahres 1848 sind vielfach im ländlichen Raum Forderungen der Landbevölkerung gegen ihre Grundherren lautgeworden. Im Zusammenhang mit der Märzrevolution hat diese „agrarische Bewegung“[1] der Bevölkerung einen Anlass geboten, aufgestaute Spannungen und Konflikte mit den örtlichen Grundherren auszutragen. Die Familie v. Buttlar verfügte über nennenswerten Land- und Forstbesitz in Elben, Elberberg, Kirchberg und Riede sowie einigen weiteren Dörfern der Umgebung. Die Bevölkerung war im wesentlichen der örtlichen Adelsfamilie, zu einem geringeren Anteil der Pfarrei zehnt- und grundzinspflichtig,[2] und in Bezug auf Holzlieferung und die Möglichkeit der Waldhute war sie auf die Benutzung der Wälder der Grundherrschaft angewiesen. Insofern hatten sich in den Jahren, die den revolutionären Ereignissen vorangingen, wesentliche Veränderungen vollzogen, als der Kammerherr Rudolph v. Buttlar in 1846 der wissenschaftlichen Öffentlichkeit eine nach ihm benannte Kulturmethode vorstellten konnte, mit der er Waldweideflächen wieder aufforstete und Mittelwald in ertragreicheren Hochwald umwandelte. Da er die Kulturmethode zuvor langjährig erprobt hatte und sie sich bewährt hatte, konnten nunmehr jährlich ca. 20 ha devastierter Elberberger Waldflächen aufgeforstet und weitere 17 ha mit Unterpflanzungen in verlichteten Mittelwäldern verbessert werden.[3]
Im Familienarchiv v. Buttlar-Elberberg ist zu den Ereignissen des Jahres 1848 ein Aktenstück überliefert,[4] das Auskunft darüber gibt, wie man sich damals gegen verschiedene bäuerliche Lasten auflehnte, die mit dem Untertänigkeitsverhältnis verbunden waren wie z.B. Besthaupt, Lehngeld, dingliche Lasten und Abgaben sowie Höhe der Holz-Taxe.
Die Vorstände der Gemeinden von Elben und Elberberg wandten sich am 16. März an den Kammerherrn Rudolph v. Buttlar auf Schloss Elberberg. Sie beklagten sich, die Grundzinsen und Lehnspflichten hätten in der Vergangenheit eine besorgniserregende Erweiterung erfahren, und äußerten deshalb die folgenden Wünsche:
- Es möge ihnen Streuzeug aus den buttlarischen Forsten verabfolgt werden, wie das auch in den Staatsforsten der Fall ist,
- die jährlich zunehmende Beschränkung der Hute durch Anpflanzung von Nadelholz soll aufhören,
- die Wälder sollen durch die Hinzunahme von angrenzendem Land nicht weiter vergrößert werden,
- die Gebühren für die Bestätigung von Extrakten, die wohl dem Rentmeister zufließen, soll aufhören,
- das Bau und Werkholz, „dessen Taxe … bis zum Unzahlbaren gesteigert ist“, soll auf einen Preis herabgesenkt werden, wie ihn unsere Väter vor 20 oder 30 Jahren bezahlt haben,
- für das Brennholz gelten die gleichen Wünsche, und es soll nicht wie bisher an entfernten und schlecht beholzten Schlägen überwiesen werden.
Die Wunschliste endete mit einem Appell an den Kammerherrn: „Verschließen Sie ihr Ohr unseren Wünschen nicht, und wir sind auch ferner Ihre treuen Vasallen, welche nicht verkennen werden, was Sie uns damit Gutes tun. Gegenseitiges Vertrauen sind ja die Grundpfeiler des Bestehens menschlicher Gesellschaften.“
Ähnliche Forderungen hatten auch die Einwohner Kirchbergs gegen den Kammerherrn und seinen Förster Hassenpflug im März vorgetragen. Es werden verschiedene Unregelmäßigkeiten in Schuld- und Lehensangelegenheiten vorgetragen. Die Anliegen betreffen auch hier besonders die Abgabe von Holz aus den Wäldern der Grundherrschaft, z.B. „nicht mehr Holzhauerlohn zu nehmen als die Holzhauer erhalten“ oder „kein Brennholz vor der Überweisung von Günstlingen aussuchen zu lassen.“
Insbesondere die Untersuchung der aus Kirchberg vorgetragenen Beschwerden nimmt einige Zeit in Anspruch. Rentmeister Heerdt auf Elberberg wird vom Kammerherrn aufgefordert, hierzu Stellung zu nehmen, dann willigt der Kammerherr in einem Schreiben vom 11. April weitgehend in die Forderungen aus Kirchberg ein. Er erhält daraufhin am 22. April und am 12. Mai eine „untertänige Dankadresse der Ortsbürger zu Kirchberg“, die mit dem Versprechen verbunden wird, „sowohl die Person als das Eigentum der gnädigen Herren mit Möglichkeit zu schützen.“
Während in Kirchberg daraufhin wieder einige Ruhe eintritt, überschlagen sich in den Apriltagen die Ereignisse in und um Elberberg. Zunächst meldet sich die benachbarte Gemeinde Altendorf. Am 13. April kündigt der Bürgermeister an, die zunehmenden Wildschäden nicht weiter hinnehmen zu wollen: „Klagen kommen jede Stunde bei mir ein, daß sie [die hiesigen Ortsbürger] dort und dort mehrere acht, zwölf Stück am hellen Tage auf den Saatfeldern gesehen haben. Lange genug ist von unserer Seite Ihr Wild gefüttert worden, jetzt ist es nun an der Zeit, daß Sie es durch Ihre dienstbaren Geister hüten lassen, damit es nicht aus den Wäldern heraustritt und unsere Hoffnung zertritt und abfrißt. Wird diesem Unfug und eigennützigen Absichten aber demungeachtet nicht gesteuert, so haben sich die hiesigen Einwohner beratschlagt, sich die Freiheit zu nehmen und sämtlich mit Gewehren auszugehen und das Wild zu schießen.“
Die Altenstädter Einwohner bitten am 17. April – „zur Vermeidung etwaiger Gewalttätigkeiten“ – das mitten in der Feldmark gelegene buttlarische Wäldchen, der Mittelbusch genannt, wieder für die Viehhute nutzen zu dürfen. Noch am gleichen Tage wird ihnen zugestanden, das nach sechsjähriger Hute der Mittelbusch wieder gehütet werden darf.
Am 16. und 17. April versammeln sich die Einwohner von Elben, marschieren zum Schloss und tragen dort ihre Forderungen vor. Rückblickend erinnert sich Rudolph v. Buttlar: Am 14.4., den Palmsonntag Abends, als ich schon vom Abendessen aufgestanden war, kam der Gartenarbeiter Wilhelm Theis aus Elben und meldete, in Elben sei Krawall ausgebrochen, man sei jetzt im Bürgermeisters Haus versammelt und wolle hernach in Masse heraufziehen, um mir Forderungen vorzulegen und ihre Genehmigung erzwingen. Dasselbe bestätigte der kurz darauf mit seinem Schwager Ferdinand Hartwig eintreffende Pfarrer Paulus. Nach neun Uhr versammelten sich auf meinem Hofe und namentlich auf der Straße nach Elberberg viele Leute aus Elben und bald darauf traten in meinem Haus der Bürgermeister Thüre von Elben, Johannes Fischer, Martin Ritter, der Kastenmeister Theis, Schreiner Adam Burghardt, Schuhmacher Valentin Der, Heinrich Gibhardt, Sattler Georg Lattemann (Hans Siebert) und einige andere und stellten ihre Forderungen im Auftrag der Gemeinde. Sie verlangten, innerhalb einer Stunde Antwort. Der Kammerherr beklagte, daß sich mehrere Personen, namentlich Gibhardt und der Sattler Gerhold ungebührlich äußerten, und namentlich der letztere habe gesagt, wenn jetzt nichts verlangt werde, sei Gott gnädig. Draußen vor der Tür habe sich die Menge tumultarisch geäußert und dabei gesungen „Ein freies Leben führen wir“. Um der Gewalt zu weichen, habe er unter Vorbehalt in die Forderungen eingewilligt. Denn die auf dem Gutshof versammelte Menge hatte dort die Staketenwand nach dem Dorf zu erbrochen und sich damit bewaffnet.
Daraufhin hat er das folgende Dokument unterzeichnet. „Der H. Kammerherr v. Buttlar hat nachstehendes Verlangen der Gemeinde Elben genehmigt, welches so lautet: Nachdem heute Abend mehrere Einwohner der Gemeinde Elben mir das Verlangen der in Elben versammelten Einwohner vortrugen, daß ich sofort eine Entschließung über die Ermäßigung der Holzpreise und Abschaffung der Rentmeisters Heerdt abgeben solle, so erkläre ich, daß ich darin einwillige und die Gewährung der übrigen Herrn zu erwirken verspreche
1) daß das Holz zu den früheren Preisen von 1801 bis 1815 verabfolgt werde,
2) daß der Rentmeister Heerdt versetzt werde,
3) daß möglichst die gemeinde mit Streuzeug versehen werde alle Woche einen Tag.
So geschehen Elberberg, den 16. April 1848 Rudolph von Buttlar.“
Dararufin zog die Menge wieder vom Schloß ab. Dem Rentmeister wurden einige Scheiben eingeworfen, im übrigen blieb es ruhig. Am darauffolgenden Nachmittag kam dieselbe Deputation jedoch noch einmal und verlangte, daß ein weiteres Schriftstück unterzeichnet werden solle, worin die am Vorabend bestätigten Forderungen näher ausgeführt werden, daß z.B. in der Dorfgemarkung die Schafhute nur den Gemeindeeinwohnern zustehe und„daß den geringen Leuten erlaubt werde, Gras ohne zu verforsten, jedoch gegen Erlaubnisschein … (für 2 Sgr.) holen zu dürfen… Auch daß das trockene Holz den Bedürftigen wowohl das, was auf der Erde liegt als auch dasjenige, was man mit der Hand als trocken abbrechen kann, zu gestatten.“Der Kammerherr unterzeichnet auch dieses Schriftstück, worauf ihm sämtliche Anwesende Schutz und Hilfe zusagten und ihm die Hand darauf gaben.
Noch am gleichen Tag verläßt der Kammerherr kurzzeitig Elberberg, da seine Frau ekrankt ist. Zuvor teilt er der Gemeinde und Bürgergarde von Elberberg mit, „indem ich dankbar anerkenne, daß die gestrigen Forderungen und der dabei verursachte Andrang keine Teilnahme in der Gemeinde Elberberg gefunden hat, und die Gemeinde wie ich hiermit versprochen, volle Ursache haben soll, dafür belohnt zu werden, und in keiner Weise hinter der Gemeinde Elben zurückstehen soll…“ Am 30. April wird dieses Versprechen eingelöst, indem v.Buttlar schriftlich bestätigt: „Das ordnungsgemäße Betragen der Gemeinde Elberberg, was ich sehr dankbar anerkenne, veranlaßt mich, Ihnen hierdurch auch schriftlich das Versprechen zu geben, daß ich diejenigen Vorteile…, wie sie Elben erlangt hat und nach deren Umfang für Elberberg meinerseits nicht nur gewähren … werde, wogegen ich auch mit Sicherheit erwarte, daß die Gemeinde uns und unser Eigentum jedem Schutz in Not und Gefahr gewähren wird.“
Die Gemeinden Elben und Elberberg, die noch im März gemeinsam ihre Forderungen erhoben hatten, sind nunmehr gespalten. Eine etwaige Besorgnis der Familie v.Buttlar, es könne zu weiteren Unruhen kommen, sind nach den Aprilereignissen jedoch unbegründet. Einen vielleicht politischen Anspruch der hiesigen Einwohnerschaft kann man lediglich der an die Ständeversammlung gerichteten Petition beimessen, wofür dem Siebert Engelhardt aus der Gemeindekasse 10 Sgr. ausgezahlt worden sind. Noch bevor am 18. Mai in Frankfurt die Nationalversammlung eröffnet wird, ist in Elben und Elberberg nach der Absetzung des Rentmeisters Heerdt und dem Eingehen auf die Elbener Forderungen anscheinend wieder Ruhe eingekehrt.
Jahre später bekommen die Ereignisse des Jahres 1848 noch einmal eine Bedeutung, als der Ortsvorstand von Elben im Dezember 1856 den Kammerherrn bittet, die auf der Gemeinde ruhende Schuldenlast, die für die Einrichtung einer Suppenanstalt im Hungerjahr 1847 entstanden ist, ihr ebenso wie bereits der Gemeinde Elberberg zu erlassen. „Ihre Gnaden scheinen jedoch der Gemeinde Elben seit 1848 dauernd ungnädige Gesinnungen zugewandt zu haben. Wir beklagen tief die Ereignisse dieses Jahres, insofern sie verletzend in sanktionierte persönliche und sachliche Rechte eingriffen, beklagen namentlich, daß auch in der Gemeinde Elben angesichts eben genossener Wohltaten die Pflicht der Dankbarkeit hintangesetzt, loyale Gesinnung verleugnet werden konnte, daß vom zeitwind fortgerissen, eine verletzende Sturmpetition an die gnädige Herrschaften getragen wurde. Indem wir diese Vorgänge aufrichtig bedauern, hoffen wir Verzeihung des Geschehenen und die Wiederkehr der früheren gnädigen Gesinnung.“ Die Bitte wird jedoch abgelehnt.
aus: Mitteilungen des Geschichtsvereins Naumburg 1998, S.29-31.
[1] Zum Begriff vgl. Franz, Die agrarische Bewegung im Jahre 1848, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte, Bd.9 (1959), S.151ff.; Hessen Revolution 1848. Eine Ausstellung der Hessischen Staatsarchive. Katalog 1998, S.28
[2] StAM, Lager-Stück- und Steuerbuch Elben 1778, desgl. Elberberg 1778; abgedruckt in: Jahrbuch des Geschichtsvereins Naumburg, Bd.7 (1987), S.53ff., 69ff.
[3] G.-L.-Hartig-Stiftung (Hrsg.), Biographien bedeutender hessischer Forstleute, 1990, S.107ff. mwN.
[4] StAM, 340 v.Buttlar-Elberberg Nr. 42; vgl. auch Dorfchronik Elbenberg, 1987, S.53ff.
Quellennachweis: erstellt von Dr. Volker Knöppel