Ein neuer Grenzstein im Alten Wald

Die alte Grenze des ehemals mainzischen Amtes Naumburg ist reich an alten und vielfältigsten Grenzzeichen. Gab es ursprünglich Grenzbäume mit Markierungen wie z.B. eingeritzten Kreuzen und später Graben- und Wallanlagen entlang des Grenzverlaufs, so entstand bald das Bedürfnis nach einer noch sicheren Markierung des Grenzverlaufs. Ab dem 16. Jh. sind an den gemeinsamen Grenzen mit den ausländischen Mächten Grenzsteine erhalten: zum Fürstentum Waldeck, zur Landgrafschaft Hessen und dazugehörend die adelige Grundherrschaft der Familie von Elben.

Der Grenzstein, dessen Replik auf dem Höhenweg im Alten Wald über dem Schönhagengrund wieder aufgestellt wird, war im Jahr 1966 bereits beschädigt und aus der Erde herausgerissen. Sein weiterer Verbleib ist unbekannt und es darf angenommen werden, dass er gestohlen wurde. Dank eines Fotos von Heinrich Riebeling aus Frankfurt, dem Initiator des Naumburger Grenzsteinpfades, sind wir heute in der Lage, eine Nachbildung wieder an alter Stelle in den Grenzverlauf einzufügen.

Der Stein zeigt auf der Naumburger Seite das Mainzer Rad des Fürstbistums und auf der anderen Seite ein zunächst interpretationsbedürftiges Wappen, dessen Bezug auf den Nachbarn in Elben zunächst nicht unmittelbar deutlich wird. Wie ist die einfache und unbeholfene Ritzung zu verstehen? Darüber bestand bereits in der Vergangenheit einige Unsicherheit. In der Vereinszeitschrift der hessischen Wandervereine, den sog. Touristischen Mitteilungen hat der Heimatforscher Wilhelm Lange 1913 die Grenze im Alten Wald wie folgt beschrieben: Da gebe es Grenzsteine, die das Wappen alter, längst ausgestorbener Adelsfamilien tragen und dem Heraldiker manches Rätsel aufgeben. Da ist ein Grenzstein, der ein Wappenschild mit einem zackigen Gebilde trägt, das allgemein als ein Baumast bezeichnet wird; es stellt jedoch ein an den Enden mit Rosen bestecktes Hirschgeweih vor – das Wappen der mächtigen und reichen Familie von Elben.

Richtig zeigt das Elben‘sche Wappen eine Hirschstange, deren Enden mit Linienblüten – nicht mit Rosen – besetzt ist.

Erklärbar wird die Darstellung des bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten und kaum noch ablesbaren von Elben’schen Wappens, wenn man den Zeitpunkt der Grenzsteinsetzung berücksichtigt.

Bei Grenzsteinen gilt der Grundsatz, dass die ältesten Steine dort gesetzt wurden, wo der Grenzverlauf seine Richtung änderte, während neuere Steine später in den Lücken aufgefüllt wurden. Im Alten Wald ist festzustellen, dass der Zwei-Herren-Stein mit Mainzer Rad und Elben’schen Wappen zu den ältesten Steinen zählt. Hier sind beide Wappen heraldisch zutreffend dargestellt. Alle übrigen Steine an der Grenze nach Elben wurden danach gesetzt:

  • Drei Steine, wohl noch vom Ende des 16. Jh., zeigen ebenfalls deutlich das Elben’sche Wappen.
  • Eine Serie mit von Buttlar‘schem Wappen trägt die Jahreszahlen 1715 oder 1716.
  • Der hier betrachtete Stein und zwei weitere zeigen das Elben’sche Wappen nur noch als einfache Ritzung. Diese Serie wurde folglich nach 1567 und vor 1715/16 hergestellt.

Dieser Zeitraum lässt sich jedoch weiter eingrenzen. Da das Elben’sche Wappen nicht für die bereits 1535 ausgestorbene Familie von Elben steht, sondern für die Elben’sche Herrschaft, muss unser Stein vor 1693 gesetzt worden sein. Denn in jenem Jahr wurde die Elben‘sche Ganerbenschaft der Erbenfamilien beendet und die Familie von Buttlar ist seitdem im Alleinbesitz des Elberbergs. Für die Wappendarstellung lässt sich daraus ableiten, dass die älteren Grenzsteine das Elben’sche Wappen korrekt und vollständig abbilden. Später ging die Kenntnis des Bezugs auf die Familie von Elben und die Bedeutung des Familien- und Herrschaftswappens offensichtlich verloren, sodass daraus einfache Ritzungzeichnungen entstanden sind.

Der Stein ist heute kein offizielles Grenzzeichen. Die alten Hoheitsgrenzen gehören der Geschichte an. Geblieben sind die alten Grenzzeichen als Zeugnisse der Geschichte. Diese Kleindenkmale sind heute durch das Hessische Denkmalschutzgesetz geschützt. Mit dem Aufstellen der Replik wird neben der geschichtlichen die touristische Bedeutung unserer alten Grenzen betont. Sie zu erhalten und zu pflegen ist eine Aufgabe für die Allgemeinheit. Der Geschichtsverein dankt allen Beteiligten, dass die Anregung unseres Vereins heute in die Tat umgesetzt werden kann. Dieser Dank gebührt insbesondere der Handwerkskunst des Steinmetzbetriebs Bächt in Elbenberg und der finanziellen Unterstützung durch die Stadt Naumburg

Quellennachweis: erstellt von Dr. Volker Knöppel