Gut aufgehoben fern der Heimat
In der Gemeinschaftsküche brutzeln auf dem Ofen Frikadellen mit Apfelstückchen. Aus einem weiteren Ofen holt Tetiana Lehka einen duftenden Streuselkuchen. Für die Frauen aus der Ukraine, die hier im früheren Freizeitheim der evangelischen Kirche eine vorübergehende Heimat gefunden haben, ist die Küche auch so etwas wie ein Treffpunkt, ein Ort der Gemeinschaft, wo man ein Schwätzchen hält und Neuigkeiten austauschen kann.
Sie alle sind meist mit weiteren Familienangehörigen vor dem Krieg, den Russland in ihr Heimatland getragen hat, geflüchtet. Über Umwege sind sie in Elbenberg gelandet und haben hier einen sicheren Ort gefunden, an dem sie sich gut aufgehoben fühlen. Das liegt nicht nur daran, dass das Freizeitheim mit seinem weitläufigen Garten, das vor der Ankunft der Flüchtlinge leer stand und auf einen Käufer wartete, besser als jede provisorische Unterkunft für den Aufenthalt von Familien ausgerichtet ist. Es hat auch ganz stark damit zu tun, dass ein engagierter Kreis ehrenamtlicher Helfer sich um die Gäste kümmert.
Koordinator der Ehrenamtlichen ist Udo Umbach, ein pensionierter Verwaltungsfachmann und durch seine Profession mit strukturiertem Arbeiten und effizientem Organisieren bestens vertraut. Dass er sein Berufsleben beim Landkreis Kassel verbrachte, ist dabei durchaus hilfreich, schließlich liegt die Zuständigkeit für die Geflüchteten bei der Kreisverwaltung.
Umbach betont aber: „Wir sind ehrenamtliche Unterstützer, aber keine Vertreter des Landkreises. Wir machen hier alles freiwillig und unterstützen Kreis und Stadt.“
Und das seit Anfang April. Da kamen nämlich die ersten Flüchtlinge in Elbenberg an.
Der Kreis brachte zuvor Hausmeisterhaus, das neuere Doppelhaus und den stattlichen Altbau nach dem Leerstand auf Vordermann und erneuerte die Gemeinschaftsküchen in den Gebäuden. Derzeit sind 77 Menschen aus der Ukraine untergebracht, sagt Udo Umbach, viele Familien, manche sogar mit vier Generationen.
Sie alle profitieren vom bestens eingespielten Helferkreis und einer Organisation, die Umbach als „generalstabsmäßig“ beschreibt. Vier Gruppen mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen wurden gebildet: Die medizinische Abteilung sei nach wie vor am stärksten belastet. Vom Vereinbaren von Arztterminen bis zum Begleiten von Personen zu Untersuchungen in der Klinik fällt alles in deren Bereich.
Dann gibt es den allgemeinen Fahrdienst, der für die Fahrten zum Arzt, zu Behörden oder zur Kreiskasse zuständig ist. Inzwischen nutzen die Bewohner der Elbenberger Einrichtung, von denen einige Integrationskurse außerhalb, viele andere die im Haus angebotenen Deutschkurse besuchen, vor allem auch die Linienbusse. Das gilt auch für die Kinder, die in Naumburg und Bad Emstal zur Schule gehen und nachmittags im Übrigen auch noch – sofern das Internet funktioniert – online am Unterricht in der Heimat teilnehmen.
Die dritte Helfergruppe ist für die Beschaffung von benötigten Gegenständen aller Art zuständig. Ein Lager mit Spenden halte man aus gutem Grund nicht vor, sagt Umbach. Man gebe über die Homepage elbenberg.de bekannt, wenn etwas benötigt wird, und warte dann auf Antworten mit Angeboten. Und dann gibt es noch die Abteilung „für das ganze Formelle mit den Behörden“, wie es Udo Umbach nennt, das fällt dann in sein Ressort.
Einiges organisieren und übernehmen die Ukrainer auch selbst: den Reinigungsdienst beispielsweise und die Gartenpflege. „Was wir strukturiert aufgebaut haben“, sagt Udo Umbach, habe nur so gut funktioniert, weil von Anfang an Sprachbarrieren überwunden wurden. Dank Erjenia Roth. Russisch ist ihre Muttersprache, vor 20 Jahren kam sie zum Studieren nach Deutschland und blieb – der Liebe wegen. Sie wohnt mit Mann und Kindern in Naumburg und stieg sofort ein. „Es ist ein Glück, dass sie mit dabei ist“, sagt Umbach. Für die Ukrainer sei sie die Vertrauensperson.
Man fühle sich hier wohl, versichern die Frauen in der Küche, die das Abendessen vorbereiten. „Wir haben hier alles, außer unsere Heimat“, sagt Tetiana Lehka, die im
April als eine der ersten mit ihren beiden Söhnen in Elbenberg ankam. Ihr Mann kam etwas später. Sie sei dankbar dafür, wie man hier nach der teils chaotischen
Flucht im Dorf aufgenommen wurde. Übers Handy halten die Flüchtlinge den Kontakt zu Freunden und Verwandten in der Ukraine. Täglich werde telefoniert. Und
dann spreche man natürlich auch hier in der Küche beim Kochen über die Neuigkeiten aus der Heimat.