Nach 44 Jahren bei der Polizei verabschiedete sich Frank Gallinger in den Ruhestand

Bodenständig und heimatverbunden

Es war ein eher stiller Abgang. So ganz nach dem Geschmack von Frank Gallinger. Der 60-Jährige, der bis Ende September vier Jahre lang die Wolfhager Polizeistation leitete, braucht keinen Trubel. Seit fünf Wochen ist er jetzt Pensionär. Und wie geht es ihm damit, nach fast 44 Jahren als Schutzmann in den unterschiedlichsten Verwendungen? „Gut“, sagt er mit einem zufriedenen Grinsen. „Ich habe nie gesagt, wenn ich fertig bin, dann fange ich was ganz Bestimmtes an.“ Daran habe er sich gehalten. Den Übergang in den Ruhestand beschreibt er als „lässig, kurz und schmerzlos“.

Schnell im Ruhestand angekommen: Frank Gallinger mit dem vier Monate alten Terriermix Bruno im Garten. Langeweile hat der 60-Jährige keine, dazu hat er zu viele Interessen.

 

Den Druck, den sein Job mit sich brachte, je weiter er die Karriereleiter hinaufkletterte, hat er hinter sich gelassen. Und das genießt er sichtlich. Es sind die ganz normalen Dinge, mit denen er sich beschäftigt. Und davon gebe es genug: Holz machen für den Ofen zum Beispiel. Und aus der üppigen Apfelernte Saft pressen. Als Vorsitzender der Waldinteressenten Elberberg ist er jetzt noch häufiger im Wald unterwegs. Gerne auch mit dem Fahrrad. Pilze sammeln gehört auch zu den bevorzugten Beschäftigungen.

Und bis vor wenigen Tagen, ehe er seine BMW wie vor jedem Winter sorgfältig eingemottet hat, hat er das sonnige Wetter für Motorradtouren genutzt.

„Ich hatte Spaß an meinem Job“, stellt Gallinger klar, „und habe ihn auch ein halbes Jahr länger gemacht“. Auf eigenen Antrag. „Aber irgendwann ist dann auch mal Schluss.“ Selbst wenn es so etwas wie der Traumberuf war. „Ich habe in meinem Leben eine einzige Bewerbung geschrieben. Und die war für die Polizei“, erzählt Gallinger, der nach dem Realschulabschluss an der Fritzlarer Ursulinenschule die Laufbahn als Schutzmann ansteuerte.

„Wenn ich nicht genommen worden wäre, hätte ich Abitur gemacht.“ Das holt er später nach, um den Kommissarslehrgang machen zu können. Zu Beginn der Ausbildung habe er einen Aufsatz schreiben müssen, und zwar darüber, warum er zur Polizei gegangen sei. Er wolle „für das Gute da sein“ und „den Leuten helfen“, seien seine Kernaussagen gewesen, erinnert sich Frank Gallinger.

Nach seiner Ausbildung in Kassel geht es für den Elbenberger ab ins südliche Hessen. Erst Wiesbaden, dann Hanau, dann Frankfurt. Nach viereinhalb Jahren auf Streife am Main hat er das Glück, nach Nordhessen versetzt zu werden. Er wird zunächst Schutzmann im 1. Polizeirevier am Königstor, es folgen diverse Wechsel und Beförderungen. Eine echte Herausforderung sei dann für ihn die Aufgabe gewesen, als für die documenta 14 verantwortlicher Polizeibeamter die Einsatzlagen vorzubereiten. „Das Interessante an dem Beruf ist die Vielfalt der Aufgaben“, sagt der Pensionär zurückblickend, die mitunter aber auch schwer auf den Schultern lasten können. Das erfuhr er nicht zuletzt als Dienststellenleiter in Wolfhagen, als der damalige Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke in Istha ermordet wurde. „Sowas bleibt in Erinnerung.“

Während seiner vier Jahre an der Wolfhager Liemecke habe er feststellen können: „Wolfhagen ist auch keine heile Welt. Man hat auch hier auf dem Land die Delikte querbeet, wenn auch nicht in der Häufigkeit wie in der Stadt.“ Dem Land und seinem Heimatort Elbenberg ist Frank Gallinger immer treu geblieben. Selbst als Polizeibeamter in Frankfurt ist er nach den Diensten, auf die zweieinhalb freie Tage folgten, immer nach Hause gefahren.

Und dort ist er dann ganz selbstverständlich seinen Eltern in deren Lebensmittelgeschäft zur Hand gegangen. „Das habe ich immer so gemacht. Das war klar, dass du deinen Eltern hilfst.“ Heute wohnt der Vater zweier erwachsener Kinder im Haus neben seinen Eltern. Er ist ein bodenständiger Typ, der nie einen Grund sah, den Wohnort zu wechseln: „Ich fühle mich wohl hier. Hier sind meine Lebensinteressen, meine Familie, meine Freunde.“ Die vertraute Dorfgemeinschaft, für die er sich auch als Mitglied des Ortsbeirates engagierte, sei ihm ebenso wichtig, wie der Freiraum, der ihm das Land biete. Etwa beim Angeln. Als Leistungssport habe er das nie betreiben wollen. „Es geht mir darum, den Genuss in der Natur zu suchen.“

Dazu gehört sicher auch die Beschäftigung im großen Garten, wo er auch immer schon einen Ausgleich zum anstrengenden Dienst fand. „Ich habe ein Faible für Besonderes“, sagt er über sein Gärtnern, „ich probiere da auch gerne mal was aus“. Verschiedene Möhrensorten beispielsweise, rote Beete unterschiedlicher Farbschläge, seltene Kartoffelsorten. Und dann ist da ja auch noch die landwirtschaftliche Sparte: Heu und Stroh machen, Wiesen ausmähen – da unterstütze er seine pferdebegeisterte Frau, die noch berufstätig ist.

„Ich bin zufrieden“, versichert Frank Gallinger. Erst recht jetzt, da er über seine Zeit frei bestimmen kann. „Ich habe mir für meinen Ruhestand nichts vorgenommen, keine Weltreise oder so etwas. Ich habe da kein Ziel. Aber meine Interessen sind ja auch vielfältig. Da gibt es in Zukunft bestimmt noch was“, sagt er und lacht dabei ganz entspannt.

Quelle: Text und Bild, Norbert Müller, HNA vom 05.11.2022

HNA-Artikel 05.11.2022