Wandern statt marschieren
Den Grundwehrdienst muss schon seit mehr als einer Dekade niemand mehr ableisten, die Personalstärke der Bundeswehr wurde im Zuge der Reform der
Streitkräfte kräftig reduziert. Schlechte Zeiten für eine Reservistenkameradschaft, die ihr Personal ja aus den Reihen der ehemaligen Soldaten rekrutiert, sollte man meinen. Dass eine solche Gemeinschaft noch kein Auslaufmodell ist, zeigt die Reservistenkameradschaft Elbenberg. Sie feiert am Sonntag ihr 50-jähriges Bestehen.
Auch nach einem halben Jahrhundert strickt die Truppe der Ehemaligen weiter an ihrer Erfolgsgeschichte, auch wenn die Zeiten ruhiger geworden sind, sich die Inhalte geändert und die jährlichen Aktionen von der Anzahl reduziert haben im Vergleich zu früheren Jahren.
Nachlassendes Interesse am Vereinsleben sei ein Problem, mit dem sich heute viele Gruppierungen konfrontiert sehen, sagt der Vorsitzende der Elbenberger Reservistenkameradschaft, Wolfgang Pflüger. Der kann aber dennoch mit Stolz darauf hinweisen, dass die Elbenberger Kameradschaft über all die Jahre gewachsen ist. Dass
mögen zuletzt keine Riesensprünge in der Statistik gewesen sein, aber trotz aller Veränderungen ist man von einem Schrumpfprozess bislang verschont geblieben. Beim Jubiläum vor zehn Jahren, sagt Pflüger, habe er in seiner Festrede von 85 Mitgliedern berichtet. Heute sind es 86. Und das nach zuletzt drei zähen PandemieJahren, die für Vereine und Verbände eine echte Herausforderung gewesen seien.
Den Grundstein für die Reservistenkameradschaft in Elbenberg legten acht ehemalige Bundeswehrangehörige schon Ende 1972. Die trafen sich, um über die Möglichkeit einer Gründung zu beraten, die dann im März 1973 im Gasthaus Am Berg auch vollzogen wurde. Bald bemühte man sich auch um eine Patenkompanie. Dazu streckten die Elbenberger ihre Fühler in Richtung Fritzlar aus und wurden fündig: Im Mai 1975 wurde mit einem großen Fest die Patenschaft mit der 4. Kompanie des Panzergrenadierbataillons 53 besiegelt.
Damals spielten militärische Fortbildungen für die Mitglieder noch eine große Rolle, Märsche wurden unternommen. Aber auch im zivilen Bereich engagierten sich die Reservisten von der Elbe schon eifrig. In historischen Uniformen nahmen sie mit ihrem Gründungsvorsitzenden Wilhelm Weinrich an der Spitze an den Hessentagsumzügen in Bensheim und Hofgeismar teil. Den Bewohnern des Kinderheims „Haus Irmel“ in Deute mit kleinen Präsenten zu Weihnachten eine Freude zu machen, wurde schnell zu einer Art Tradition.
Silvesterball und Weihnachtsmarkt
Ab Mitte der 80er-Jahre richtete die Reservistenkameradschaft in Elbenberg legendäre Silvesterbälle aus, später den Weihnachtsmarkt. Und bei all ihren Aktivitäten waren die Reservisten immer darauf bedacht, Geld, das sie bei diesen Gelegenheiten erwirtschafteten, mit anderen zu teilen. So wurde unter anderem an die Aktion Advent der HNA gespendet und an die Kinderkrebsstation des Kasseler Klinikums.
Mit den Jahren wurde die Kameradschaft zu einer festen Größe in der dörflichen Gemeinschaft und immer weniger eine Vereinigung zum Trainieren von Veteranen. Vorsitzender Pflüger beschreibt es ganz anschaulich: „Der frühere Orientierungsmarsch ist heute die Herbstwanderung, aus dem Schießen auf dem Schießstand wurde das Vereinskegeln und aus den Biwaks die Vereinsfahrten.“ Zu beliebten Veranstaltungen, die die Reservistenkameradschaft im Dorf auf die Beine stellen, wurden auch der Preisskat und der Dämmerschoppen am Karfreitag.
Zum runden Geburtstag bietet die Kameradschaft, der längst auch Mitglieder hat, die nie bei der Bundeswehr waren, für die Öffentlichkeit wieder etwas Besonderes: das Konzert der Egerländer-Besetzung des Heeresmusikkorps Kassel am Dienstag, 2. Mai, in der Flachsrose.